Die türkische Frau

Die türkische Frau – himmelwärts strebend, erdgebunden
Essay von Oya Erdoğan

Ich sitze am Flughafen fest. Mein Flug wird sich um Stunden verzögern. Ich warte. Erst jetzt nehme ich die überdimensionalen Werbeplakate in der Halle wahr. Sie sagen: „Das Warten lohnt sich!“ Ich fühle mich auf den Arm genommen. Das Warten, so finde ich dann heraus, bezieht sich auf den Ausbau des Flughafens. Er soll größer und moderner werden. Der Flughafen Sabiha Gökçen, auf der asiatischen Seite Istanbuls, wurde 2001 eröffnet und scheint freudig zu expandieren. Neben mir sitzt eine Frau, deren Leibesfülle auch eine Neigung zur Expansion erweist. Sie bietet mir selbstgebackene Plätzchen an, ich soll zugreifen, ich bräuchte es. Sie ist redselig. Woher ich komme, wohin ich gehe, verheiratet, Kinder? Ich weise auf den Werbeslogan hin und sie lacht herzhaft. Ich frage sie nach Sabiha Gökçen – ein Eigenname, wer war das? Meine Kenntnisse besagen, sie sei eine Ziehtochter Atatürks gewesen und die erste Pilotin des Landes. Deshalb wurde der Flughafen nach ihr benannt. Viel mehr weiß ich nicht von ihr. Woher sie kam, wohin sie ging, verheiratet, Kinder … Sabiha Gökçen? Die Frau zuckt mit den Schultern. Ich habe den Namen nie gehört, ich kenne sie nicht.

Der ganze Text ist verfügbar zum Download, siehe Werkliste/Radioessay

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Kompendium

Oya Erdoğan, geb. 1970 in Akyazı in der Türkei, studierte Philosophie und Orientalistik in Wien, lebt als freie Schriftstellerin zur Zeit in Berlin.